Goldene Handwerksmeister (4): Dietmar Schäferer ist der letzte Bäcker von Gerterode

Gerterode. Die Zeiten ändern sich. Damals, als der Großvater von Dietmar Schäfer in Gerterode die Bäckerei gegründet hat, gab es noch drei Bäcker im Ort. Heute, im Jahr 2014, gibt es keinen mehr.

 

Dietmar Schäfer ist der letzte Bäcker von Gerterode. Stolz zeigt er den Goldenen Meisterbrief, den er von der Handwerkskammer Erfurt bekam. Foto: Fabian Klaus
Dietmar Schäfer ist der letzte Bäcker von Gerterode. Stolz zeigt er den Goldenen Meisterbrief, den er von der Handwerkskammer Erfurt bekam. Foto: Fabian Klaus
 
 
"Unser Ort ist geschrumpft", sagt der 72-jährige Dietmar Schäfer. 46 Arbeitsjahre hat der Gerteröder hinter sich gebracht, seit er 1956 bei seinem Vater in der heimischen Bäckerei in die Lehre gegangen ist. Seinen Meisterbrief erlangte er sieben Jahre später in Mühlhausen. Vor wenigen Wochen ist Dietmar Schäfer geehrt worden von der Handwerkskammer für sein goldenes Meisterjubiläum. Gern erinnert sich der Senior, der außer in der Armeezeit seinem Heimatort immer treu verbunden geblieben ist, an die bewegten Jahre zurück. Erst die Lehre beim Vater und direkt im Anschluss die Erfahrungen bei der Konditorei Spiegler in Mühlhausen. "Das war damals die beste Adresse", sagt er. Mit drei Vorhaben sei er damals in die Thomas-Müntzer-Stadt ausgezogen. "Ich wollte den Meisterbrief, den Führerschein und die Jagderlaubnis." Die ersten beiden Projekte sind geglückt, das dritte nicht. "Dafür hätte ich in die Partei eintreten müssen", sagt Dietmar Schäfer. Das Bäckerhandwerk wird dem Eichsfelder nahezu in die Wiege gelegt, und doch kommt er eher zufällig zur Lehre bei seinem Vater. "Er hat gesagt, der Junge ist so dürre, den bekommen wir nirgends unter. Dann muss er eben zu Hause lernen", berichtet Dietmar Schäfer. So wird er nach der Lehrzeit von 1956 bis 1959 und den Jahren in Mühlhausen schon 1963 als 22-Jähriger zum Bäckermeister. Allerdings muss die Übernahme des heimischen Betriebes warten. "Ich hatte ja gehofft, dass ich nicht zur Armee muss, aber dann haben sie mich doch drei Jahre geholt", sagt er. In der hintersten Ecke der DDR dient er. Die Bahnstation, das kann der Gerteröder heute noch berichten, hieß Jenschwalde-Ost. Stationiert war er in Trebitz an der polnischen Grenze - einem kleinen Ort, so groß wie Gerterode.

"Man braucht eine Frau, die das alles mitmacht."

Auch diese Zeit geht vorbei, und die Übernahme der Bäckerei vom Vater steht an. "Aber ich habe erstmal eine Frau gesucht, die das mitmacht. Und eine gefunden", sagt er. Hildegard und Dietmar Schäfer sind seit 1966 verheiratet, schon ein Jahr später übernimmt er die Bäckerei vom Vater. Heute sagt er dankbar: "Meine Frau musste schon mitmachen, sonst wäre das alles nicht gegangen." Bis 2002 ist Dietmar Schäfer der Dorfbäcker in Gerterode, dann stoppt ihn die Gesundheit. Um die Bäckerei in dem mittlerweile nur noch knapp 380-Seelen-Dorf zu erhalten, "hätte ich über Land fahren müssen". Das will er sich allerdings nicht antun, weil einige Krankheiten ihn plagen. 2002 ist Schluss - der letzte Bäcker von Gerterode stellt seine Maschinen aus und schließt die Pforten. Denn zu einer Übernahme der Bäckerei durch den Sohn oder eine der beiden Töchter kommt es nicht. Es lohne sich auch nicht, eine kleine Dorfbäckerei, wie die seine eine gewesen ist, zu betreiben, sagt Dietmar Schäfer. Gerterode muss dennoch nicht ohne Backwaren auskommen. "Drei Bäckerwagen rollen hier täglich durch", berichtet der Meister. Seinen Beruf liebt Dietmar Schäfer, der Meisterbrief seines Vaters, sein eigener und jetzt der Goldene Meisterbrief hängen im Arbeitszimmer feinsäuberlich gerahmt an der Wand, aber bis heute. "Und ab und an backe ich auch noch eine Torte. Fast jede Woche aber backe ich Kuchen", sagt er und lächelt. Was er jungen Bäckern heute raten würde? Dietmar Schäfer muss überlegen, sagt dann aber: "Für den Weg in die Selbstständigkeit muss es stimmen. Das will genau abgewogen sein. Man braucht auch eine Frau, die das alles mitmacht." Das war damals so, und so ist es heute. Dietmar Schäfer kann das mit Sicherheit sagen - nach einem bewegten Berufsleben, das mit dem Goldenen Meisterbrief der Handwerkskammer eine besondere Würdigung erfahren hat.

 

Quelle: Fabian Klaus / 06.02.14 / TLZ
   
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