Eichsfeld. Der kleine Schmandlecker wird von der Abendsonne beschienen. Seine Finger, die er gerade in den Mund steckt, triefen vor Schmand. Er sieht zufrieden aus, neigt den Kopf verträumt zur Seite. Die Figur steht im Garten des Hüpstedter Holzbildhauers Heinz Günther. Bald soll sie aber an ihren eigentlichen Platz nach Gerterode ziehen. Denn die Gerteröder haben den Spitznamen Schmandlecker, und Bürgermeister Udo Hartung hat gemeinsam mit dem Ortsteilrat für das kleine Fest am 3. Oktober die Skulptur bei dem Künstler bestellt.

Die Eiche, aus der die Figur gefertigt ist, stammt aus der Struth, dem Wald zwischen Gerterode und Vollenborn, sagt Heinz Günther. Das Holz wurde bereits vor zwei bis drei Jahren geschlagen, ist somit schon abgelagert und reißt nicht mehr. Deshalb ist es auch gut zu verarbeiten.

Eine Woche legte Heinz Günther Hand an den Schmandlecker für Gerterode an. Die Zeit war knapp, also habe ich nicht lange gefackelt. Als der Anruf aus Gerterode kam, schien gerade die Sonne und so skizzierte der Künstler gleich eine Silhouette auf den Eichenstamm, den er zuvor gemeinsam mit seiner Tochter, die auch Künstlerin ist, aus dem Lagerplatz im Garten herausgesucht hatte. Am nächsten Tag kam auch schon Udo Hartung vorbei. Ihm gefiel der Entwurf und Heinz Günther machte sich ans Werk. 

Der Schmandlecker soll auf dem neugestalteten Platz in Gerterode aufgestellt werden. Genau neben der Schnecke aus Eiche. Diese war ein Geschenk der Partnergemeinde des kleinen Eichsfeldortes. Gerterode in Hessen ist ein Ortsteil der Gemeinde Ludwigsau im Nordosten des mitteldeutschen Bundeslandes und die Bewohner machten sich kurz nach der Wende auf, ihre Namensvetter zu besuchen. Seitdem besteht die Partnerschaft, so Udo Hartung. Anlässlich der 750-Jahr-Feier des Ortes brachten die hessischen Freunde eine Schnecke aus Holz mit, denn auch sie haben einen Necknamen: Sie werden Schneen genannt.

So soll am 3. Oktober passend zum Tag der Deutschen Einheit, denn ohne diese wären die beiden Ortschaften so nicht zusammen gekommen ein kleines Fest auf dem neuen Platz in Gerterode gefeiert werden. Den schmücken jetzt auch rustikale Bänke mit den Wappen der beiden Gemeinden, eine Litfaßsäule und bald die beiden Skulpturen.

Um den Topf des Schmandleckers so original wie möglich zu gestalten, mobilisierte Heinz Günther gleich den halben Hüpstedter Heimatverein. Mehrere Tontöpfe stehen nun, zusammengetragen von den Mitgliedern, in seiner Werkstatt, und er erzählt, dass in seinem Heimatort Vollenborn früher viele Töpfereien waren, da es um den Ort große Tonvorkommen gibt. Er selbst habe als Kind oft besonders gern mit dem blauen Ton, den es nahe des elterlichen Grundstücks gab, Tiere geformt und in Ermangelung eines Töpferofens in der Sonne getrocknet. In den Tontöpfen, wie sie jetzt auf dem Fensterbrett der Werkstatt in Hüpstedt stehen, wurde früher der Schmand zur Konservierung gelagert.

Die Arbeit hat mir sehr großen Spaß gemacht, weil die Schmandlecker ja die Nachbarn meines Heimatdorfes sind. Die Vollenborner werden im Übrigen Fuhlnberner Tippchenspeeler genannt. Wahrscheinlich, weil sie ihre Tontöpfe auch regelmäßig ausspülen mussten.

Und so wie die Gerteröder ob Hessen oder Thüringen und die Vollenborner haben fast alle Eichsfeldorte einen nicht ganz so ernst gemeinten Necknamen. Tiernamen sind dabei sehr beliebt. So gibt es zum Beispiel in Bernterode/Heiligenstadt die Karnickel, in Siemerode die Bären, in Buhla die Hummeln, in Büttstedt die Glucken, in Fürstenhagen die Gickelhähne, in Marth die Steinkauze, in Silberhausen die Esel, in Reinholterodedie Schlangen und in Glasehausen sogar die Drachen. Die Menschen aus Bleckenrode, Steinheuterode, Wintzingerode und Hohengandern sind in jeweils anderen Schreibweisen die Ziegenböcke.

Die Eule spielt in der Reihe der Necknamen auch eine verbreitete Rolle. Warum die Weißenborner aber Eulenschlucker genannt werden und die Wehnder die Eulenspieler, ist nicht vollständig geklärt. Bei den Steinbachern gibt es eine Theorie: Da sie bereits einen Teil ihres Tagwerkes verrichtet hatten, ehe die Bewohner der Nachbardörfer aus den Federn kamen, wurden sie Eulen oder Uhlnkeppe genannt.

Bei solchen Tiernamen drücken viele Benannte sicher ein Auge zu, doch gibt es auch wenig schmeichelhaftere Namen im Eichsfeld. Die Kirchohmfelder müssen sich noch immer den Vorwurf anhören, sie wären Hundeschlachter. Die Rohrberger werden Krippenschießer genannt, die Rohrberger Murnschießer. Die Dietzenröder sind als Zänker bekannt. Vielleicht weil sie nichts ohne Kommentar hingenommen und bis zum Ende ausdiskutiert haben. Die Kreuzebraer werden wegen ihrer Sturheit auch Bleiköpfe gerufen. Bischhagen und Schönau haben dagegen gut Lachen. Sie werden als Goldengel bezeichnet.

Die Eichsfelder Städte stehen sogar so sehr zu ihren Spitznamen, dass sie nicht nur ihre Stadtfeste nach ihnen benennen, sondern ihnen jeweils auch Denkmäler gesetzt haben. So gibt es die Lämmerschwänze in Leinefelde vor der Sparkasse in der Bahnhofstraße, den Krengeljäger in der Langen Straße in Worbis, und der Möhrenkönig in Heiligenstadt grüßt die Gäste der Stadt vom Rathausbalkon. Auch das Tor des Verbindungsgangs vom Krankenhausparkplatz zur Windischen Gasse in Heiligenstadt spielt auf die Legende der Möhrenkönige an. Dort knabbert nämlich eine Ziege an einer Möhre.

 

Und jetzt kommt noch ein weiteres Necknamen-Denkmal im Eichsfeld hinzu. Nämlich in Gerterode. Wir können unseren Namen ja sowieso nicht mehr ändern. Er ist so althergebracht, dass wir dazu stehen, sagt Bürgermeister Udo Hartung und freut sich auf viele Gerteröder und Gäste am 3. Oktober um 13 Uhr in der Ortsmitte, wo der kleine Schmandlecker auch enthüllt werden soll.

Quelle: TA 29.10.2018

   
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